Angesichts steigender Infektionszahlen macht die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft einen brisanten Vorstoß: Sie will die Abiturprüfungen gegebenenfalls absagen und nur die Leistung im Unterricht bewerten. Doch es gibt Kritik.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert, wegen der Corona-Pandemie die Abiturprüfungen in diesem Jahr notfalls ausfallen zu lassen. „Sollte das Infektionsgeschehen so dramatisch ansteigen, wie die dritte Welle in anderen europäischen Nachbarstaaten befürchten lässt, müssen die Länder flexibel reagieren und von Prüfungen absehen“, sagte GEW-Chefin Marlis Tepe dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Dann könnten zum Beispiel die Leistungen aus dem Unterricht zur Grundlage der Notengebung gemacht werden.
„Tepe sagte, sollten Prüfungen pandemiebedingt ausfallen, müssten die Abiture trotzdem von den Bundesländern gegenseitig anerkannt werden. Das Abitur 2021 brauche die volle Anerkennung und Wertschätzung.
Kritik von Politik und Lehrerverbänden
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Britta Ernst (SPD) betonte, dass Schülern wegen der Corona-Pandemie keine Nachteile entstehen sollen. „Niemand sollte die Jugendlichen, die jetzt vor dem Abschluss stehen, zusätzlich zur normalen Prüfungsnervosität verunsichern“, betonte Ernst, die auch Brandenburger Bildungsministerin ist. Der Forderung der GEW erteilte sie eine Absage: Alle arbeiteten mit Hochdruck an sicheren Bedingungen für die Durchführung der Prüfungen. Die KMK habe mit ihrem Beschluss zum Abitur 2021 vom 21. Januar einen Rahmen verabredet, der die Vergleichbarkeit sicherstelle, aber Spielräume schaffe, um auf die Einschränkungen der Pandemie Rücksicht zu nehmen.
Der hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU) hatte zuvor im RND-Podcast gesagt, die Kultusministerkonferenz gehe davon aus, dass die Abiturprüfungen in diesem Jahr überall stattfänden. Eine Absage von Prüfungen wäre nach seinen Worten zum Nachteil der Schüler. „Sie würden den Jugendlichen fürs Leben einen Malus mitgeben. Das wären für immer diejenigen, die das Corona-Notabitur gemacht hätten.“ Alle sollten später stolz sagen können: „Ich habe ein ganz reguläres Abitur geschrieben wie alle anderen auch – und das noch unter Pandemiebedingungen.“
Auch Lehrerverbände wollen den Vorstoß nicht mittragen: Die GEW habe bereits im vergangenen Jahr entsprechende Forderungen erhoben, erläuterte der Chef des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Im Nachhinein habe es sich aber als absolut richtig erwiesen, dass die Bundesländer dieser Forderung damals nicht gefolgt seien. „Die Abiturprüfungen konnten 2020 trotz ähnlich hoher Inzidenzen sicher und weitgehend problemlos durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind ähnlich, sogar insgesamt leicht besser ausgefallen als die Jahre vorher“, sagte der Bundesvorsitzende.Auch der Deutsche Philologenverband sprach sich in den Zeitungen der Funke Mediengruppe für reguläre Abiturprüfungen aus und forderte die Politik auf, für entsprechende Schutzmaßnahmen an den Prüfungstagen zu sorgen.
Quelle: tagesschau